Freitag, 24. April 2020

Kuriositäten im Wald

Nicht immer wachsen Bäume so, wie man sich einen „Standard“-Baum vorstellt. Wenn man mit offenen Augen durch den Wald spaziert, kann man einige Kuriositäten entdecken.

Da wären zum Beispiel die Bäume, die mitunter riesengroße Wucherungen am Stamm aufweisen. Oft werden diese Wucherungen verallgemeinernd als „Baumkrebs“ betitelt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein unkontrolliertes Zellwachstum, sondern um ein stark gesteigertes Wachstum von Wundgewebe offene, durch Pilze oder Bakterien entstandene Wunden zu verschließen. Bei besonders aggressiven Infektionen wandert diese immer tiefer in den Stamm hinein, der wiederum mit noch mehr Wundgewebe reagiert. Solche Baumkrebse sind in der Regel nicht komplett von Rinde umschlossen und geben den Blick auf das abgestorbene darunter liegende Holz frei.

Ein großer Baumkrebs an einer Esche.
 Ist der Knubbel am Stamm fest von Rinde umschlossen, ist es kein klassischer Baumkrebs. Aber auch hier hat der Baum mit vermehrtem Gewebewachstum auf eine kleine Wunde reagiert. Häufig sieht man dieses Phänomen bei Lindenalleen, denen jährlich die Wasserreiser am Stammfuß entfernt werden, um ein freies Lichtraumprofil zu gewährleisten.

Links im Bild eine geastete Linde in einer Allee, rechts eine Robinie mit diversen Wundverschlüssen.
Einen ganz besonderen Anblick bietet der polnische Wald Krzywy Las, der südlich von Stettin gelegen ist. In diesem aus den 1930ern stammenden Kiefernwäldchen sind nahezu alle der 400 Bäumchen auf eigenartige Weise verformt. Knapp über dem Boden sind sie fast im rechten Winkel abgeknickt und wachsen nach kurzer Zeit wieder senkrecht nach oben. Hier gibt es verschiedene Theorien, warum die Kiefern so aussehen. Die Ideen reichen von absichtlichen Verformungen für den Schiff- oder Möbelbau bis hin zu Stockausschlägen bei einer Bewirtschaftung nach dem Niederwaldprinzip. Die neuste These besagt, dass der dortige Forstwirt die Spitzen der Kiefern in jungen Jahren als Weihnachtsbäume schlug und sich die jetzt dort befindlichen Bäume aus den Seitentrieben der Weihnachtsbaumstubben entwickelten. 

Das "Krumme Wäldchen" bei Gryfino südlich von Stettin.
Da es keine Zeitzeugen mehr gibt, kann man dieses Phänomen nicht abschließend klären.

Freitag, 17. April 2020

Rückepferde

Die Vögel zwitschern, in der Luft liegt der Duft frisch gesägten Holzes, kein Geräusch einer Maschine stört das Ohr des Waldbesuchers. Doch was ist das? Auf einmal bricht schnaubend und stampfend ein Kaltblüter durch das Unterholz. An seiner Seite ein kerniger Bartträger mit Lederhose und kariertem Hemd. Zusammen manövrieren sie gekonnt einen kleinen Baumstamm durch das Labyrinth aus Bäumen und Sträuchern, bis sie den nächsten Weg erreichen und das Holz ablegen können.

Ein Rückepferd-Gespann bei der anstrengenden Arbeit im Gelände.

Ist es das? Das Patentrezept für die ideale Forstwirtschaft – emissionsarm, naturnah und bodenschonend?

Ja und nein. So wertvoll die Pferderückung in manchen Bereichen als Ergänzung zur hochmechanisierten Holzernte ist, in weiten Teilen kann sie diese nicht ersetzen.

Es gibt Einsatzbereiche, in denen eine Rückung des Holzes mittels Pferd sehr sinnvoll ist. In Beständen an Hängen, die für Maschinen zu steil sind, kann ein Pferd trittsicher das Holz aus der Fläche an Rückewege schleppen. Diese verlaufen parallel zum Hang und sind mit Maschinen wie dem Forwarder gut befahrbar. Von dort aus übernimmt dieser den weiteren Transport des Holzes zum Holzlagerplatz.

Auch in bestimmten Schutzgebieten, in denen der Rückgassenabstand mindestens 40 m zueinander beträgt, ist die Rückung mittels Pferd angebracht. Hier können die Pferde bzw. die Gespanne die einzelnen Holzabschnitte bis zur nächsten Rückegasse ziehen, von wo aus sie ebenfalls mit Maschinen weiter transportiert werden.

Doch oft stößt die Pferderückung an ihre Grenzen. Und zwar wenn das zu rückende Holz größere Dimensionen und damit auch ein höheres Gewicht hat. Also immer dann, wenn wir in den Stammholzbereich gehen. Ein einzelnes Pferd schafft Abschnitte oder Stämme mit einer Stückmasse zwischen 0,1 und 0,3 Festmeter, ein Gespann mit 2 Pferden bis zu 1,0 bis 1,5 Festmeter [1 Festmeter = 1 Kubikmeter Holz]. Mehr ist nicht machbar. Schwere Fichten- oder Buchenstämme, die manchmal 2, 3 oder noch mehr Festmeter haben, liegen somit weit außerhalb des Möglichen.

Nur kurze Abschnitte und dünne Stämme kann ein Rückepferd aus dem Bestand ziehen, alles andere wäre für das Tier zu schwer.
Bei ähnlichen Kosten der Pferderückung pro Festmeter gegenüber der hochmechanisierten Holzernte ist die Leistung jedoch deutlich geringer. Ein Forwarder kann innerhalb der gleichen Zeit etwa das zwei- bis dreifache an Holzmenge aus dem Wald an die Wege rücken.

Dennoch, die Holzrückung durch Pferde ist tief in unserer forstwirtschaftlichen Tradition verwurzelt. Bis in die 1960er Jahre wurde sie noch flächendeckend eingesetzt. Und auch heute noch hat sie in gewissem Maße ihre Berechtigung, auch wenn sie in weiten Teilen von hochmechanisierten Rückeverfahren abgelöst wurde.

Donnerstag, 9. April 2020

Lebensraum Hecke


Jeder hat sie schonmal gesehen. Hecken, die in der freien Landschaft mehr als nur eine Aufgabe erfüllen.

Bei strahlendem Sonnenschein bietet diese in voller Blüte stehende Schlehenhecke vielen Insekten und Vogelarten bereits im März Nahrung und Lebensraum.
Der ursprüngliche Zweck einer Hecke lag darin, verschiedene landwirtschaftliche Flächen insbesondere Viehweiden voneinander abzugrenzen. Heute stehen andere Aufgaben im Fokus. So dienen Hecken heutzutage vorrangig dem Schutz vor Erosion durch Wind und Wasser.

Auch der naturschutzfachliche Aspekt tritt immer weiter in den Vordergrund. Eine Hecke bietet vielen verschiedenen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und das liegt vor allem an ihrem Aufbau.


Typischer Aufbau einer Hecke

Idealerweise ist eine Hecke zwischen 20 und 25 Meter breit und im Querschnitt pyramidenförmig aufgebaut. In der Mitte der Hecke befindet sich die sogenannte Kernzone. Hier wachsen einige Bäume, die die Hecke überdachen. Zu beiden Seiten der Kernzone folgt die Mantelzone, die durch den Bewuchs mit Sträuchern gekennzeichnet ist. Am Rand der Hecke schließt eine Saumzone an, in welcher krautige Pflanzen und Stauden den Übergang z.B. zu einem Feld bilden.

Mit ihren unterschiedlichen Pflanzenarten und Strukturen bietet eine Hecke vielen verschiedenen Tierarten Lebensraum und Nahrung. 

Der Neuntöter (Lanius collurio) findet sowohl seine Nahrung als auch Nistmöglichkeiten in strukturreichen Hecken.
Das bekannteste Beispiel ist der Neuntöter. Dieser Singvogel legt seine Nester in dornigen Sträuchern wie Schlehe oder Weißdorn an, die er in der Feldflur nahezu ausschließlich in Hecken findet. Seine Nahrung besteht überwiegend aus großen Insekten, gelegentlich aber auch aus Kleinsäugern oder kleineren Vögeln. Diese jagt er wiederum rund um die Hecke, wo seine Beute selbst in den blühenden Sträuchern und Kräutern bzw. deren Früchten und Sämereien ideale Lebensbedingungen vorfindet.

Eine Hecke ist also viel mehr als nur ein landschaftsbildendes Element, sie ist eines der artenreichsten Biotope in unserer Kulturlandschaft.